Bernd Scheffer

 

Das Gute am Bösen: Teuflisch gute Kunst

Referat für das Symposion „Das Böse heute“ in Lüneburg 12./13. Oktober 2007

 

In allen neueren westlichen Künsten und in vielen Bereichen der westlichen Medien lassen sich die ansonsten gängigen, meist nützlichen, bewährten, zum Teil durchaus deutlichen Unterschiede zwischen „gut“ und „böse“ nur noch äußerst schwer oder gar nicht mehr handhaben.1 Hier wird so deutlich wie nirgends sonst, dass sich das „Gute“ bzw. das „Böse“ nicht als Ding, Zustand, Situation oder Verhaltensweise festlegen lässt, sondern dass das, was als „gut“ bzw. als „böse“ gilt, abhängig ist von der jeweils gewählten Art der Beobachtung.2 Es ist geradezu die Aufgabe der Künste und der Medien, diese Beobachterabhängigkeit von „gut“ und „böse“ ihrerseits zu beobachten - etwa in der direkten oder indirekten Proklamation, dass alles auch ganz anders sein könnte, bis hin zur Umkehrung, das „Böse“ wäre das „Gute“ und das „Gute“ wäre das „Böse“.3

Das heißt freilich nicht, dass man im Bereich der Künste und der Medien in jeder historischen und kulturellen Situation stets frei und beliebig darüber entscheiden könnte oder sollte, was man denn gerade je nach „Gutdünken“ oder „Bösdünken“ für „böse“ bzw. für „gut“ hält; es heißt aber, dass in diesen und nur in diesen Bereichen extreme Alternativen zu den ansonsten üblichen Unterscheidungen von „gut“ und „böse“ zur Disposition stehen.

Es gibt drei Möglichkeiten, das „Gute“ und das „Böse“ sehr direkt auf einander zu beziehen, um damit das „Gute am Bösen“ zu verdeutlichen:

1. Die Negationsmöglichkeit: Was auch immer als „Böses“ gefasst und dargestellt wird - in der Umkehrung, im Gegenteil, in der Negation des „Bösen“ könne unbedingt und klar das „Gute“ zum Vorschein kommen. Ohne die Differenz zum „Bösen“ sei das „Gute“ gar nicht zu begreifen. Die Möglichkeit der Negation sei also das „Gute am Bösen“.

2. Die Umkehr-, die Austausch-Möglichkeit: Was der einen historischen, kulturellen, politischen oder religiösen Gruppierung als das „Böse“ erscheint, gilt im Gegenteil der anderen Gruppierung als das „Gute“: Selbstmordattentäter verüben ihre unübertrefflich bösen Anschläge in der Gewissheit, etwas unübertrefflich „Gutes“ zu tun (und sie sind durch unübertreffliche soziale Bestätigung innerhalb einer verschworenen Gruppe restlos davon erzeugt, dafür im Jenseits unübertrefflich belohnt zu werden).

3. Die Möglichkeit radikaler Komplementarität: Im Sinne eines Aufbau-, Fortschritts- und Revolutionsmodells kennen wir viele historische und kulturelle Situationen (in Politik, Wirtschaft, Industrie, Gesellschaft und Kultur), in denen „böse“ Destruktionen als unerlässliche Bedingungen auf dem Weg zum „Guten“ gelten: „Wo gehobelt wird, da fallen Späne!“

Anschlussfrage 1: Welche Systeme der Gesellschaft - zunächst außerhalb des Kunst- und Mediensystems - haben eine Lizenz, von diesen Möglichkeiten, das „Gute am Bösen“ herauszustellen, auch Gebrauch zu machen?

ad 1: Die Negationsmöglichkeit: Zwar gibt es für die Systeme der Gesellschaft außerhalb des Kunst- und Mediensystems die Möglichkeit, wenn Böses ungewollt geschehen ist, danach zu erklären, es habe auch seine „guten“ Seiten gehabt („Was uns nicht umwirft, macht uns nur umso stärker!“, wie George W. Bush nach dem 11. September), aber es gibt, so weit ich sehe, keine allgemeine soziale Lizenz für eine reale Praxis, das, was im eigenen System unangefochten als das „Böse“ gilt, auch vorsätzlich zu realisieren nur mit dem Ziel, damit das „Gute“ in der Negation umso deutlicher werde. Wer das dennoch tut, wird ausgeschlossen (in welcher Form auch immer).4

ad 2: Die Umkehr-, die Austausch-Möglichkeit: So weit ich sehe, gibt es außerhalb des Kunst- und Mediensystems kein soziales System (von der Wirtschaft bis zur Religion oder bis zum Rechtssystem) mit einer Lizenz, das, was innerhalb des Systems als „gut“ oder „böse“ beobachtet wird, „einfach“ umzukehren bzw. auszutauschen. Wer das dennoch tut, wird ausgeschlossen.5

ad 3: Die Möglichkeit radikaler Komplementarität: So weit ich sehe, geben sich alle sozialen Systeme (etwa Politik, Wirtschaft, Recht, Erziehung, Religion) prinzipiell die Lizenz (ob sie nun davon Gebrauch machen oder „besser“ eher nicht), wenigstens im „Notfall“ auch „böse“ Destruktionen zu realisieren, um „Gutes“ zu konstruieren (etwa Kriege der „Vorwärtsverteidigung“, sanktioniertes Abschießen von Flugzeugen, Massenentlassungen zur Effektivitätssteigerung, im Extremfall sogar Todesstrafe und Euthanasie, strafende Pädagogik oder Religionskriege etc.). Alle sozialen Systeme haben wenigstens im Prinzip die Möglichkeit, das, was ihnen selbst als „böse“ gilt, planmäßig und vorsätzlich herbeizuführen - allerdings nur dann, wenn innerhalb der Gesellschaft gleichzeitig die Argumentationsfigur der Notlage, das Modell „Böses um des Guten willen“, „neues Leben aus Ruinen“ mit ausreichender Zustimmung, mit ausreichendem Erfolg kommuniziert werden kann.6

Anschlussfrage 2: Welche Möglichkeiten, das „Gute am Bösen“ herauszustellen, hat das Kunst- und Mediensystem?

ad 1: Die Negationsmöglichkeit: Zwar nicht ohne zum Teil großen Widerstand, etwa im Vorwurf, sie seien „entartet“, haben die Künste und die Medien - anders als andere soziale Systeme - durchaus eine soziale Lizenz, mit ihren eigenen Mitteln das „Böse“ vorsätzlich zu tun, also das zu tun, was überall sonst als „böse“ gilt, nämlich grausame Einfälle zu haben und sie als „künstlerische“, als fingierte Praxis zu realisieren.

Interessanterweise ist diese Lizenz für das „Böse“ nicht notwendigerweise daran gebunden, dass in einer klaren Negation auch sogleich das „Gute“ deutlich zum Vorschein kommen müsse. Diese Negationsmöglichkeit, im „Bösen“ käme das „Gute“ zum Vorschein, fehlt geradezu im „intelligenten“ Diskurs über die Künste und über die Medien (und sie wird allenfalls dann als halbherzige und durchschaubare Verteidigung hervorgeholt, wenn das „Böse“ in den Künsten und in den Medien von außen, von anderen Systemen wie Politik, Recht, Erziehung oder Religion her angegriffen wird). Ohne Wenn und Aber, ohne Ausflucht, ohne Rechtfertigung mit Hinweis auf die Negationsmöglichkeit, finden sich in den Künsten und in den Medien explizite oder implizite Deklarationen, das „Böse“ sei das „Gute“.7

Die Art der Negation, von der die Künste und die Medien Gebrauch machen, besteht in der radikalen Bejahung des Bösen und damit in der radikalen Negation des Guten. Anders gesagt: Hier kollabiert die Unterscheidung von „Gut“ und „Böse“ insgesamt, etwa dann, wenn sich in der Kunst - gewissermaßen mit voller Absicht - himmlische „Überwelten“ und teuflische „Unterwelten“ in einer einzigen Utopie treffen.8

Es wäre geradezu albern, wollte man beim antiken Theater, bei Shakespeare, Kleist, E.T.A. Hoffmann, Artaud („Theater der Grausamkeit“), bei Kafka, Thomas Bernhard, Werner Schwab („Volksvernichtung...“) oder Elfriede Jelinek als Autor- oder Publikumsintention unterstellen, in der grausamen Darstellung von Grausamkeiten solle via Negation nichts anderes als das „Gute“ zum Ausdruck kommen. Noch nicht einmal beim „Hausmärchen“ funktioniert das Negationsmodell reibungslos. Den Medea-Mythos gibt es nicht deshalb, um uns daran zu hindern, Frauen in den Wahnsinn zu treiben. Die Atreus-Sage, in der Kinder geschlachtet und ihrem Vater als Speise vorgesetzt werden, dient sicher nicht als Anleitung zur Konfliktbewältigung. Die tatsächlichen Kreuzigungen in römischen Theaterinszenierungen (in „Laureolus“ von Lentulus) dienten nicht zur Abschreckung, sondern wohl eher einem unüberbietbaren „Event“ für die bösen Gefühle des Publikums. Die äußerst brutalen Gewaltszenen in Shakespeares „Titus Andronicus“ oder „King Lear“ können kaum als Plädoyer zur Abschaffung der Rache verstanden werden.9 Die schonungslosen Gewaltexzesse in der Prosa und in den Dramen Heinrich von Kleists sind alles andere als „pädagogisch wertvoll“ (es sei denn im Sinn einer kompetenten Kunstlehre und Medienkunde). Kafkas „Strafkolonie“ ist zwar eine grausame Erfindung eines Vernichtungslagers, aber keine direkte oder indirekte prophetische Warnung vor den Todesfabriken der Nazis geschweige denn eine Anweisung zum realen Gebrauch). Kafkas kurzer Text „Ein Brudermord!“ beschreibt mit geradezu unüberbietbarer sprachlicher Genüsslichkeit einen Mord en detail. Keine brauchbare Interpretation wird sogleich sagen können, wozu das außer zur genüsslichen, sprachlich meisterhaften Darstellung von Morden noch „gut“ sein soll. Ähnliches gilt für den Kultroman „Naked Lunch“ von William Borroughs (1959; Verfilmung durch David Cronenberg 1991).

Außer den genannten Beispiel ließen sich in der Literatur unzählige andere nennen, die zeigen, dass wir von Regeln und nicht von Ausnahmen sprechen, von Dichtern wie Charles Baudelaire („Blumen des Bösen“ 1857 wurden), Ambrose Bierce, George Bataille, André Breton, William Borroughs oder Charles Bukowski (um im Alphabet nur ein paar „B“-Namen zu nennen), aber auch von Frauen, von der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek zum Beispiel (nicht zu reden von den Mordphantasien der zahllosen Autorinnen von Kriminalromanen).10 Die Fülle an satanischer Prosa und „satanischen Versen“ (S. Rushdie) ist unübersehbar.

In der Malerei ist zu denken an die perversen Hinrichtungsszenen in den Mosaiken altrömischer Schlafzimmer, an Arbeiten von Goya, Delacroix (etwa „Tod des Sardanapal“) bis hin zu Bildern Francis Bacons. In der Fotografie an die Kriegs- und Hinrichtungsfotografien von Matthew Brady (Mitte des 19 Jahrhunderts) bis hin zu den Arbeiten Joel Peter Witkins,11 der Schwerstbehinderte und Leichenteile fotografiert - oder an Boris Michailov, der entblößte, kranke, hässliche Körperteile von Obdachlosen fotografiert.

Hier zeigt sich, was für das ganze Kunst- und Mediensystem zu gelten hat: Das „Böse“ wird nicht allein nur dargestellt, sondern, was viel wichtiger ist, der Akt der Darstellung ist selber „böse“, die Formgebung ist ihrerseits grausam. Wie kaum ein anderer hat Karl Heinz Bohrer das „Böse in der Kunst“ verteidigt; vor allem hat er darauf aufmerksam gemacht - seine m. E. beste Beobachtung - dass dieses „Böse“ der Kunst hauptsächlich in der Form, „im aggressiven Stil“, in der „verletzenden Gestalt“ liegt - und entsprechend weniger im Inhalt, im Gehalt. So gesehen müsste man einen Künstler nicht für das „Was“ seiner grausamen Destruktion rühmen, sondern für das „Wie“, dafür, dass sie die Darstellungen des „Bösen“ mit allen zu Gebote stehenden Stilmitteln gewaltsam, (Gefühle) verletzend, grausam, unnachgiebig, schonungslos, gnadenlos betreiben. Fotografien von verhungernden Menschen mögen einem guten Zweck dienen, aber wir kennen eine Reihe von Bildern, an denen sich demonstrieren lässt, dass der Akt der Aufnahme, dass die Art der Inszenierung grausam, empörend ist (und eben nicht der Inhalt des Bildes). Harmloses Beispiel: „Böse“ ist das Tun des Paparazzi und nicht der Inhalt seines stets erstaunlich harmlosen Bildes.

Immer weniger gilt, dass in Filmen am Schluss das Gute siegt. Mehr noch: Die Filme, in denen das dezidiert nicht der Fall ist, haben größte Aussicht, zu Kultfilmen zu werden, und dass es dabei um das „Gute am Bösen“ geht, unterstreicht jeweils schon der Titel: „Natural Born Killers“, „Apocalypse Now“12, „Fight Club“, „Collateral Demage“. In der Popmusic ist dem Gesamtkunstwerk „Marilyn Manson“ (in der brutal expliziten „Hommage“ an den Mehrfach-Mörder Charles Manson) nicht mit Hinweisen beizukommen, mit negativem Vorzeichen solle auch hier das gemeinhin „Gute“ irgendwie verdeutlich werden.

Harmloser und selbstverständlicher: „Pippi Langstrumpf“ zeugt keine braven Mädchen, die dann ihr schlichtes Gegenteil verkörpern. Die „Simpsons“ haben beileibe nicht die Aufgabe, „gute Sitten“ via Negation zu verbreiten, sondern sie sollen zeigen, wie „gut“ es ist, wenn die „guten Sitten“ nicht mehr gelten. Der Protagonist in Eoin Colfers erfolgreichen Jugendroman „Artemis Fowl“ ist ein Zwölfjähriger, der spektakuläre Gewaltverbrechen zur Vermehrung des Familienvermögens begeht (angesiedelt in einer ähnlich fantastischen Welt wie der von „Harry Potter“, nur ungleich „böser“).

Zwar kann im Kunst- und Mediensystem bei der grausamen Darstellung von grausamer Destruktion die Negationsmöglichkeit direkt oder indirekt „irgendwie“ mitlaufen, aber dies ist - und darauf kommt es uns an - in keiner Weise eine notwendige Bedingung (jedenfalls nicht in unseren Breiten, zu unseren Zeiten). Im modernen Kunst- und Mediensystem ist das „Böse“ auch ohne erkennbar mitlaufende Negationsmöglichkeit willkommen, es gilt als „gut“, es fasziniert, es macht Spaß, sei es als Angstlust oder als billige Schadenfreude oder vor allem: als unbändige, also nicht zu bändigende Lust an der Unmoral (in milden oder schärferen Formen reichend bis zum Exhibitionismus und Voyeurismus, auch zum Sadismus und Masochismus)13. Solche ebenso heiklen wie „normalen“ Bezüge wird jede brauchbare Erklärung des „Guten am Bösen“ zu beachten haben.

Die Texte der Literatur, die Bilder der Malerei, der Bildhauerei, der Fotografie und die Bilder des Films sind gerade deshalb „gut“, weil sie „böse“ sind, weil sie den seinerseits grausamen Vorstoß in grausige Abgründe wagen (und sich gewissermaßen „weigern“ auch noch zu zeigen, wozu das alles „gut“ sein soll). Die grausame Kunst der Darstellung von Grausamkeiten, die sich nicht „kleinbürgerlich“ rechtfertigt, kann durchaus als die „bessere“ Kunst erscheinen - zwar auch intern nicht unangefochten, aber durchaus vertretbar. Das moralisch „Böse“ wird dann als notwendige Bedingung für das ästhetisch „Gute“ proklamiert. Kunst wird weitgehend indifferent, wird weitgehend immun gegenüber der herrschenden gesellschaftlichen Moral (was Systemtheoretiker ja ohnehin behaupten würden).14

Es gibt sie also, zumindest im Kunstbereich, die „gute böse Tat“ - und zwar unter konstitutivem Verzicht auf jede mitlaufende Rechtfertigung, das Gute könne unverzüglich oder wenigstens indirekt, könne allemal „kathartisch“ noch zum Ausdruck kommen.15

ad 2: Die Umkehr-, die Austausch-Möglichkeit: Weitgehend befreit vom Druck, via Negation das Gute am Bösen durchscheinen lassen zu müssen, gibt es nur im System der Künste und der Medien - wiederum nicht unangefochten durch Interventionsversuche aus anderen Systemen - die prinzipielle soziale Lizenz, „gut“ und „böse“ radikal gegeneinander auszutauschen. Innerhalb der Sparten, die wir hier in den Blick nehmen, gilt: Die große Kunst ist mittlerweile nicht mehr „schön“, sondern „hässlich“ und „böse.“16

Sofern überhaupt noch Momente von „Spiel“, von „Kunst“ ersichtlich mit-kommuniziert werden können (diese Bedingung freilich muss erfüllt sein und notfalls sogar vor Gericht standhalten), gilt das Böse als „gut so!“. Hier erscheint der Künstler - überpointiert gesagt - als jene Art von „Terrorist“, der erlaubt oder sogar willkommen ist, der (innerhalb mehr oder weniger festgelegter Grenzen) Angst und Schrecken verbreiten darf oder geradezu soll.17

Das heißt nun freilich nicht, dass jede harte und nachhaltige, jede rechts- oder linksradikale Provokation, die sich selbst unter den Kunstvorbehalt stellen und dergestalt schützen will, „gut“ zu heißen wäre. Selbstverständlich ist es oft genug möglich und auch nötig (wenn auch nicht immer mit stets klaren Linien), Unterschiede zwischen „guter böser Kunst“ und „böser böser Kunstzu diskutieren und dann auch juristisch, strafrechtlich zu handhaben. Doch wie auch immer auf die Vorschläge, Kaufhäuser sollten brennen oder Babys sollten geschändet werden (vgl. Urs Allemann: „Babyficken“), reagiert werden muss, die prinzipielle Möglichkeit einer „guten bösen Kunst“ wird selbst im Aufschrei noch bekräftigt. Wer diese Möglichkeit einer „guten bösen Kunst“ von vornherein rundweg bestreiten wollte (etwa als „entartet“), erschiene uns seinerseits „böse“ oder bestenfalls als „ignorant“.

ad 3: Die Möglichkeit radikaler Komplementarität: Bemerkenswerterweise wird im Kunst- und Mediensystem von der in anderen Systemen ja durchaus gegebenen sozialen Lizenz, das „Böse“ als Aufbau-, Fortschritts- und Revolutionsmodell zur Erlangung des „Guten“ zu rechtfertigen, verhältnismäßig wenig Gebrauch gemacht. Wo es dennoch geschieht, haben die jeweiligen Werke sogar innerhalb des Kunst- und Mediensystems charakteristischerweise den nachvollziehbaren Vorwurf auf sich gezogen, sie seien „böse“, sie seien etwa „faschistisch“ oder „faschistoid“. Werke etwa von F. T. Marinetti, Ernst Jünger (etwa „Der Kampf als inneres Erlebnis“ 1922) oder Gottfried Benn sind in solchen Kontexten diskutiert worden. Offensichtlich kann sich die Kunst das „Gute am Bösen“ umso eher leisten, je weniger sie vom Modell „Es muss gehobelt werden, also müssen Späne fallen“, je weniger sie vom Revolutionsmodell (welcher politischen Richtung auch immer) Gebrauch macht, je weniger sie sich einmischt in die Diskussionen und Bearbeitungen von „gut“ und „böse“, die eine Domäne anderer Systeme der Gesellschaft sind. Anders gesagt: Das „Böse“ in der Kunst darf umso heftiger ausfallen, je weniger es einer außer-künstlerischen Instrumentalisierung dient; umgekehrt: je deutlicher die Einmischung in außer-künstlerische Realsituationen, desto weniger ist erlaubt.18

Welche Funktionen, welche Effekte hat das „Gute am Bösen“ innerhalb der Künste und der Medien?

Was ist das Gute am bösen Witz, am schwarzen Humor, am makabren Bonmot (am „Gutwort“ also), an der brutalen Satire, an der bitteren Ironie, am Sarkasmus, an der Bosheit, an der bösen Karikatur, sogar an einigen Formen des blanken Zynismus? Warum hat man diebische, teuflische Freude daran, warum findet man so etwas „echt gut“?

Man wird schwerlich Gesetzmäßigkeiten ableiten können (das zeigt die aussichtslose Debatte über die Folgen von Gewalt in Medien), was aus dem künstlerischen und medialen Genuss des „Bösen“ tatsächlich hervorgeht. Die unverkennbar als Nachahmungen von Medienangeboten ausgeübten Morde könnten, würde es sich nicht um Morde handeln, als äußerste Ausnahmen „statistisch vernachlässigt“ werden: Millionen andere haben die gleichen Medien genutzt und sind nicht „böse“ geworden, jedenfalls nicht im strafrechtlichen Sinn. Andererseits besteht keinerlei Grund (ich kann das hier nur andeuten), die indirekten Folgen der Kunst und Mediennutzung, das „Überschwappen“ in das reale Leben zu unterschätzen.

Ohne Kunst und Medien hätten wir nicht die öffentlichen oder privaten Vorstellungen von „gut“ und „böse“, die wir zur Zeit haben, und die wir auch weitaus stärker variieren, um nicht zu sagen: umkehren, als uns das in jeden Augenblick bewusst sein mag. Auch mit seinen Vorschlägen, das „Böse“ sei das „Gute“, irritiert das Kunst- und Mediensystem alle anderen sozialen Systeme, vor allem aber das psychische System: Es ermöglicht in Gedanken und Worten und in (Kunst-) Werken ein „böses Leben im guten Leben“, ein ernsthaftes Probehandeln im „Bösen“, die gewiss nicht nur oberflächliche oder gänzlich folgenlose „Selbsterfahrung“ der eigenen Affinität zum „Bösen“, um nicht zu sagen: der eigenen Bereitschaft zu grausamer Destruktion.

Die möglichen Hinweise auf antiautoritäre Entlastungsfunktionen, auf nützliche Spielplätze (eingezäunt durch Systemgrenzen), Plätze zum Austoben, um dann erschöpft wieder real „brav“ zu sein - solche Hinweise sind mit Sicherheit die schlechtesten Erklärungen für das „Gute am Bösen“. Wenn denn überhaupt nützliche, therapeutisch sinnvolle „Widerstandfantasien“ zu modellieren sind, dann jedenfalls kann dies nicht im Modell der „Müllabfuhr“, nicht in der Hoffnung auf einen dann bereinigten Rückweg ins „Gute“ erfolgen. Man braucht, andere als die meist üblichen, kurz gesagt, man braucht „bösere“ Erklärungen und gerade keine „gutmenschlichen“ Erklärungen innerhalb eng gefasster Grenzen von „Political Correctness“ oder „kleinbürgerlicher Moral“, wenn man das „Böse“ und auch das „Gute am Bösen“ verstehen will.

Es fällt auf (jedenfalls außerhalb Lüneburgs), mit welchen z. T. selbsthypnotischen (Ver-) Drehungen sich Autorinnen und Autoren der Wissenschaft darum bemühen, das „Böse“ „gut“ zu reden, es z. B. doch irgendwie abzuschieben auf „böse“ Ausnahme-Menschen.19 Auch hier sehen Künstler klarer: Thomas Mann „Bruder Hitler“ (1939) und Heinar Kipphardt: „Bruder Eichmann“ (1986); sie erwägen Ähnlichkeiten zwischen Kain und Abel - und Ähnlichkeiten mit uns allen.20

Nirgends sonst herrscht so viel Freiheit, so viel Privatheit, so viel Persönliches, so viel Intimes vor wie in der Kunst- und in der Mediennutzung. Hier werden im wahrsten Sinne des Wortes „egozentrische“ Lebensentwürfe und Weltentwürfe praktiziert (und auch sozial toleriert, sofern sie nicht zu drastischen Sach- und Personenschäden führen). Hier braucht nichts verschwiegen, nichts versteckt zu werden; hier kann alles, aber auch alles durchexerziert werden - „Böses“, „Schmutz und Schund“, „Ekelhaftes“, „Fäkalisches“, „Anormes“, „Krankes“, „Wahnsinniges“, „Blasphemisches“, „Lasterhaftes“, „Perverses“, „Bestialisches“, auch „Inhumanes“, jedenfalls eine vor allem auch sinnlich spürbare „Lust am Infernalischen“. (Bohrer 2004, 17).21 Kunst- und Mediennutzung sind „para-sozial“: Sie nehmen die wenigsten sozialen Rücksichten, sie konstituieren sich geradezu über ihre exzentrische Exklusivität, über den aggressiven Ausschluss aller anderen Erwartungen an das „Gute“.

Das „Böse“ beobachtet, und sei es in der puren Phantasie, unsere Realität: „die ewige und unverbesserliche Barbarei der Menschheit“ (Bohrer 2004, 25) - aber nicht nur die anhaltende Bestürzung über die Barbarei, sondern vor allem auch die allseits verbreitete fatale Lust daran. Und hier kommen in der Tat anthropologische, metaphysische und ontologische Fragen ins Spiel, die allerdings zu vermeiden sind, wenn man (wie ich hier) auf „Beobachtungen“ und „Beobachtungen von „Beobachtungen“ setzt und nicht auf anthropologische, metaphysische oder ontologische Gewissheiten.

Wo immer sich Kunst und Medien im Vollzug beobachten lassen, wird „Sinn“ prozessiert (das immerhin lässt sich beobachten). Auch der „böse Blick“ macht Sinn, er schafft Sinn: Das ist das „Beste“ am Bösen“, das „einzig Gute“. 22 Hier wird Bewusstsein und das, was es hervorbringt, aufs Schärfste „durchleuchtet“. Zugespitzt: Der „böse Blick“ ist „epistemisch wertvoll“, ist womöglich der schärfste, der am wenigsten sinnlose Blick (im Unterschied etwa zum blinden „positive thinking“). Man darf Zweifel haben, dass optimistisches Denken „gutes“ Denken ist (sagen wir, weil wir vom „Guten am Bösen“ reden). Eine Geschichtsschreibung, die bevorzugt das „Gute“ beobachten will, braucht wohl gar nicht erst anzufangen: Sie hätte nicht nur die Fülle der „Fakten“ gegen sich.

So sollte man sich in den Wissenschaften an den „Durchblick“ des künstlerischen Hasses heranwagen. Zu erinnern wäre etwa daran, dass Traum, Trauma und Albtraum ebenso als Einheit verstanden werden können wie Liebe und Hass (die alles andere tun als einander auszuschließen). Distanziert, reflektiert und kritisch müsste man zeigen, dass Rache „süß“ ist, dass nichts besser ist und nichts klarer sehen lässt als der Genuss “verbotener Früchte“. „Versuchung“ und „Sündenfall“ erscheinen im „Spiel“ der Kunst nicht nur attraktiv, sondern konstitutiv. Das „Böse“, „Teufels Küche“ erscheint - jedenfalls aus der Perspektive des Kunst- und Mediensystems - als (Wallfahrts-) Ort einer merkwürdigen, zwanghaften Sehnsucht - ein Ort, an dem es zwar keinerlei Hilfe, Heilung oder Hoffnung gibt, absolut nichts Bequemes, immerhin aber Sinn, immerhin die als Sinnproklamation fungierende „Erleichterung“ in der konsensuellen Bestätigung, in der sozialen Ratifizierung: „Wir sagen es Dir: Es gibt (nun einmal) das Böse!“ und „Wer das weiß, ist auf der guten, der sicheren Seite!“ und „So zum Beispiel sieht es aus!“

Das „Gute am Bösen“ liegt dann vor, wenn man es radikal zur Kenntnis nimmt. So zumindest kann man es beobachten, mit einigem Erklärungswert, wie ich hoffe.

 

Erste Literaturhinweise

Arendt, Hannah (2006): Über das Böse. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik. München und Zürich (Piper)

Bohrer, Karl Heinz (1978): Die Ästhetik des Schreckens. Die pessimistische Romantik und Ernst Jüngers Frühwerk.

Bohrer, Karl Heinz (2004): Imaginationen des Bösen. Zur Begründung einer Ästhetischen Kategorie. München (Hanser)

Bataille, George (1987): Die Literatur und das Böse. Emily Bronte, Baudelaire, Michelet, Blake, Sade, Proust, Kafka, Genet. München (Matthes & Seitz)

Canetti, Elias (1992): Die Fliegenpein. Aufzeichnungen. München

Hanuschek, Sven (2001): Eichmanns „Haltung“. Hat das Böse eine Mentalität? Über Heinar Kipphardts Bruder Eichmann. In: Spedicato, Eugenio (Hg.): Das Böse. Fragmente aus einem Archiv der Kulturgeschichte. Bielefeld (Aisthesis) S. 143 - 156

Pöltner, Günther (2001): Das Böse - Wille zum Widersinn. In: Spedicato, Eugenio (Hg.): Das Böse. Fragmente aus einem Archiv der Kulturgeschichte. Bielefeld (Aisthesis) S. 9 - 22

Safranski, Rüdiger (1997): Das Böse oder das Drama der Freiheit. München (Hanser)

 

Fußnoten

Wie weit die „Freiheit(en)“ der Kunst in anderen historischen und kulturellen Situationen reichten, kann ich hier allenfalls andeuten. Auch ältere Kunst konnte zuweilen „gut“ und „böse“ in „höchster Freiheit“ gegeneinander verschieben, etwa im römischen Kolosseum mit der Schlachtung von Tieren, Gladiatoren und Christen oder in kleinen römischen Theateraufführungen mit der tatsächlichen Hinrichtung von Komparsen, die zur Mitwirkung gezwungen wurden. [zurück]

Das „Böse“ wird von mir - mit den auch überall sonst stets mitlaufenden tautologischen Vertracktheiten einer „Definition“ - vorläufig als etwas konzipiert, das sich plausibler, d. h. nachvollziehbarer Weise als „grausame Destruktion“ beobachten lässt (und was dann von Fall zu Fall konkretisiert werden kann - etwa als Beleidigung, Verletzung, Vernichtung, Zerstörung oder Terror). [zurück]

Für unsere Überlegungen von nachgeordnetem Interesse: In emanzipatorischen Werken der Literatur soll das angeblich „Gute“ (die erlaubte, die willkommene Sklaverei oder die bis dato allgemein akzeptierte Beschäftigung billigster Arbeitskräfte) als „böse“ entlarvt werden, etwa Beecher-Stowe s „Onkel Toms Hütte“ oder Zolas „Germinal“ oder die Agitprop-Literatur der Arbeiterbewegung. [zurück]

Der Ausschluss nimmt dann auch den Weg bis in die Strafanstalten und Psychiatrien. Übrigens sind davon auch Künstler betroffen: Zuweilen werden sie straffällig bis hin zum Mord oder noch häufiger werden sie wahnsinnig, sie werden „legal“ hingerichtet oder ermordet (wie John Lennon z. B) oder bringen sie sich - im Selbstausschluss - um (der häufigste Fall). [zurück]

Man könnte einschränkend überlegen, ob innerhalb bestimmter radikalen Sekten im Religionssystem etwa in „schwarzen Messen“ die interne soziale Lizenz, „gut“ und „böse“ auszutauschen, vorgesehen ist. Indessen: Die Restgesellschaft toleriert dies besonders dann nicht, wenn es zu strafrechtlich relevanten Tatbeständen kommt. Ohne bösen Witz: Innerhalb gewisser Toleranzgrenzen gelten sogar masochistische Swingerclubs als eine Art „Kunstverein“ mit der Lizenz, „Gutes“ und „Böses“ eigenwillig zu unterschieden. [zurück]

In diesem Zusammenhang ließe sich der seit einigen Jahren inflationäre Diskurs über Carl Schmitts politische Philosopie erwähnen oder der aktuelle Diskurs über Eingriffe ins Genom. Vgl. etwa Sloterdijk: „Regeln für den Menschenpark“. Im Gesellschafts- bzw. Wirtschaftssystem vgl. etwa Werner Sombarts bzw. Joseph Alois Schumpeters Formel von der „schöpferischen Zerstörung“. [zurück]

Canettis Formel „Er kann die bösen Legenden und Geschichten nur ertragen, indem er noch bösere erfindet.“ (1992, 4) ist so gesehen immer noch rechtfertigend, in gewisser Hinsicht „rückfällig“. [zurück]

So gesehen kann zumindest die Kunst aufgrund ihrer Antizipationen nicht überrascht sein, wenn es in anderen System beim Versuch, fiktive Utopien zu realisieren, tatsächlich zu fatalen, grausamen realpolitischen Konfundierungen von „Gut“ und „Böse“, von „guten“ Überwelten und bösen Unterwelten kommt (in „Kreuzzügen“ aller Art, im Faschismus, im Stalinismus). [zurück]

In „King Lear“ werden Gloucester lt. Bühnenanweisung die Augen ausgerissen. [zurück]

„Emanzipation“ und „Gleichstellung“ schreiten offenbar umfassend voran: Das „Böse“ ist nicht länger eine Domäne der Männer, Frauen sind weniger denn je auf der Seite des „Guten“. [zurück]

Bitte googlen unter „Joel Peter Witkin“! [zurück]

Der Film von Francis Ford Coppola ist übrigens nicht an neue, böse, reale Vietnam-Erfahrungen angelehnt, sondern sehr eng an alte fiktive Erfahrungen eines künstlerischen Bewusstsein s - das von Joseph Conrad in seinem Roman „Heart of Darkness“ (1899). [zurück]

Bekanntlich gehen die Begriffe „Sadismus“ und „Masochismus“ ursprünglich auf künstlerische Phantasien zurück - Marquis de Sade und Leopold Sacher-Masoch. [zurück]

Diese mögliche Indifferenz gegenüber herrschender Moral kann dann wiederum etwas „moralisch Gutes“ haben: Kunst denkt das Undenkbare von der äußersten persönlichen Qual bis zur Massenvernichtung, während man bei den übrigen Systemen der Gesellschaft durchaus beobachten kann, dass sie eine überwiegende, jedenfalls signifikante „Resistenz“ aufweisen, die gewaltsamen Katastrophen, die sich im Bereich ihrer Zuständigkeit ereigneten, überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Welches Gesellschaftssystem hat je das eigene Böse „sachlich und moralisch ausreichend“ aufgearbeitet (nach dem Zusammenbruch von Regimen, nach einem Holocaust)? Der „guten bösen Kunst“ wird man hingegen schwerlich den Vorwurf machen können, überwiegend so zu tun, als wäre nichts gewesen oder könnte nicht sein. [zurück]

Von allen Medienwirkungstheorien ist eine triviale, kaum mit Aristoteles zu b gegründende „Katharsistheorie“ die am wenigsten brauchbare: Sie darf als theoretisch und empirisch widerlegt gelten. [zurück]

Eine „Ästhetik des Häßlichen“ wir d diskutiert seit Karl Rosenkranz gleichnamigen Buch von 1853. [zurück]

Einschränkend: In der deutsche n Rechtsprechung hat die „Menschenwürde“ (zuweilen?) Vorrang vor der „Freiheit der Kunst“. (Vgl. Mephisto-Urteil oder z. Zt. Rechtsstreit um Maxim Billers autobiographischen Roman „Esra“, aufgrund dessen sich seine Exgeliebte „böse“ denunziert glaubt) [zurück]

Das ist das Problem des „sozialistischen Realismus“ in der Kunst: Weil er sich erklärtermaßen auf Realverhältnisse beziehen will, bleiben seine Darstellungen des „Bösen“ harmlos. Brechts Karriere ist ohne Aussicht auf Besserung rückläufig. Selbst für das Schultheater ist Brecht mittlerweile zu „brav“, zu „gut“. Eine „Rocky Horror Picture Show“ oder gar Orientierungen an “GangstaRap” und “Marilyn Manson” sind einfach „cooler“. Und „coolness“ bezeichnet (hoffentlich) eine gewisse ironische Distanz zu Eisen, die „böse“ heiß sind. [zurück]

Als eines von vielen Beispielen, böse aus dem Zusammenhang gerissen: „Und wie das Böse einzig unter der Hinsicht des Guten gewollt werden kann, so wirkt es auch einzig mit den Kräften des Guten.“ (Pöltner 2001, 15) [zurück]

Vgl. auch Hannah Arendts bekannte Formel von der „Banalität des Bösen“. Auch auf das berühmte Milgram-Experiment lässt sich in diesem Zusammenhang verweisen; siehe dazu Hanuschek 2001 [zurück]

Selbstkritisch wäre zu vermerken, dass eine solche Auflistung so klingt, als sei das „Böse“, wenn auch mit negativem Vorzeichen , immer etwas unübertrefflich Großartiges (um nicht zu sagen: „Erhabenes“), selbst noch im Fall des „Fäkalischen“. Wenn dieser Eindruck entsteht, sollte unbedingt mit Hinweisen auf die Trivialität und Banalität aller „bösen“ Kunst-Phantasien, wie abgedreht, also wie pervers sie auch immer sein mögen, gekontert werden. [zurück]

Zu diskutieren wären in diesem Zusammenhang die abweichenden Überlegungen von Rüdiger Safranski (1997) und Karl Heinz Bohrer (1997, 2004), die das Böse in der Kunst an deren Bearbeitung des „Sinnlosen“, an die „absolute Kontingenz“ binden. Mir scheint, das ist der zwar richtige, aber nur zweite Teil der Angelegenheit, denn genau diese Darstellung des Sinnlosen vollzieht sich von Anfang an unvermeidlich „sinnstiftend“. Jede Behauptung: „Es gibt das Böse und es ist das absolut Sinnlose und absolut Kontingente (und genau das soll in der Kunst gezeigt werden)“ macht Sinn und gesteht der „bösen Kunst“ geradezu hochgradig Sinn zu. [zurück]


Kontakt: Bernd Scheffer Veröffentlicht am 30.10.2007

   
         Sämtliche Beiträge dürfen ohne Einwilligung der Autoren ausschließlich zu privaten Zwecken genutzt werden. Alle Rechte vorbehalten.
© Medienobservationen 2007.