(1) Derridas Kritik des "Phonozentrismus/Logozentrismus" setzt bei diesen Aussagen Platons an. Um seine These von der phonozentrischen Metaphysik des Abendlandes zu entwickeln, muß Derrida meines Erachtens hier eine seltsam einseitige Lektüre Platons favorisieren. Denn Sokrates stellt sich die "beseelte Rede des wahrhaft Wissenden" als in die Seele "hineingeschrieben" vor und an keiner Stelle wird von einem stimmlichen Selbst-Vernehmen dieses logos gesprochen (Koschorke) - oder eher geschrieben. Das Schrift nur Abbild der Ideen sein kann, betrifft aber streng platonisch genauso die Stimme, worauf Sokrates bezeichnenderweise nicht insistiert, sondern eben auf dem besonderen Stellenwert seines Lehrgesprächs. Dabei möchte ich es fast schon wieder bewenden lassen: die verzwickten und brillanten Argumentationen Derridas erschweren mir jedenfalls über Gebühr ihre Behandlung und es stellt sich mir die grundsätzliche Frage, auf welche Fragestellung - über eine partielle, aber einschneidende Kritik de Saussures hinaus - eigentlich die elaborierte Problematisierung der "Präsenz" eine Antwort gibt? Daß Schrift und Rede differieren und Schrift keine simple oder bloß nachträgliche Abbildung der Rede ist, bleibt festzuhalten; ob die allem vorgängige, generalisierte Schriftmetapher - die ja auch wieder als Platon-Lektüre gelten kann - wirklich hilfreich ist, bezweifle ich. Das wortreiche Insistieren auf der Materialität der Zeichen sagt leider erstaunlich wenig über deren spezifische Entwicklung und Folgen aus, an der mir hier gelegen ist.

(2) Derartige Ergebnisse erscheinen stark interpretationsbedürftig; sind vom eigenen kulturellen Standpunkt geprägt. (Für die vorliegende Betrachtung ist eine tiefergehende Auseinandersetzung mit ethnologischen Forschungsproblematiken nicht zu leisten und - genau besehen - auch nicht notwendig.



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