Daniel Krause

 

Bilder vom Denken in Räumen: Markus Heidingsfelders und Min Teschs Architekturfilm
Rem Koolhaas – Architekt XXL

 

Architektur zu 'verfilmen’ ist schwer: Wie lässt sich Raum auf die Mattscheibe bringen? Wie sind die sinnlichen Anmutungen eines Gebäudes wiederzugeben, sein Duft (von Mörtel, Beton oder Holz), die haptischen Merkmale, Lichtstimmungen? Wie kann die Dramaturgie der Raumfolgen dargestellt werden? Lässt sich Architekturtheorie filmisch vermitteln? Können Begriffe anschaulich werden? Wie werden Begriff und Anschauung eins? Was, wenn ein Gebäude als Gedanke, nichts sonst, zu begreifen ist – ein Gedanke zumal, der alles bedeuten will, aber nicht Architektur? Wenn alle Begriffe von Architektur fragwürdig werden, Architektur sich entzieht – wie in den Bauten Rem Koolhaas’, des denkfreudigsten, wagemutigsten Architekten unserer Tage?

In ihrer Dokumentation fürs ZDF haben sich Markus Heidingsfelder und Min Tesch diesen Herausforderungen erfolgreich gestellt. Mit dem marktgängigen 'Doku’-Format hat dieser Film keine Ähnlichkeit, es sei denn im Soundtrack, der manchmal an Muzak erinnert. (Er mag – vom Sender unterstellten – Publikumserwartungen geschuldet sein.) Es ist ein Versuch in Bildern, Tönen und Worten, ein Essai mit den Mitteln des Films, von durchaus eklektischer Art – wie Koolhaas’ Architektur selbst, die alles und nichts ist, Blattgold auf billigen Hölzern, wie Portos Casa da Música, blockhafte Megalomanie, fern allem menschlichen Maß: Euralille und kalkulierte Anarchie in Petersburgs Eremitage. Um filmische Denkbilder geht es, die Schwierigstes anschaulich machen, nicht um die Person Koolhaas’. Der Versuchung, den hochmögenden Baukünstler, der Kunst und Bauen unablässig in Zweifel zieht, durch biographische, 'menschelnde’ Anbiederung dem Publikum 'nahe zu bringen’, ihn harmlos erscheinen zu lassen, das Kühne, Verstiegene seiner Projekte, die Escher- und Piranesianmutung durch halbgare Etikettierungen verdaulich zu machen, dieser Versuchung widerstehen die beiden Autoren von Anfang an tapfer: Koolhaas erscheint als die Zumutung, die er immer schon war. Von Heidingsfelder/Tesch sind keine Antworten zu erwarten, wohl aber die richtigen Fragen: Gerade darin sind sie ihrem Gegenstand gewachsen. Esoterische Gefilde (und Idolatrie, Geniekult, Parteigängertum) werden freilich gemieden. Dafür sorgt einmal der eingesprochene Text, fern feuilletonistischen Floskeln – stets ist ein Bemühen um Klarheit, Verständlichkeit spürbar – zum andern die handverlesene Schar kundiger Interviewpartner. Nur selten verirren sich diese ins Labyrinth jener Phrasen, die wohlfeil bereitliegen, wo die Rede auf Architektur kommt. Koolhaas selbst spricht ohne Allüre, mit Heiterkeit über sein Werk. Freude macht aber auch der Humor der Autoren, unbillige Tiefsinnsprätentionen lässt er nicht aufkommen: Die wahre Tiefe geht mit Leichtigkeit einher. Wer das nicht wusste, lernt es hier.

Wer über im anspruchsvollsten Sinn zeitgenössische Architektur im Bilde sein möchte, wer unterhaltend belehrt werden möchte über zeitgenössisches Architekturdenken, über die Zukunft der Städte und menschlicher Lebensverhältnisse, der kommt an Heidingsfelders/Teschs Film, dem ersten großen Bildessai zu Koolhaas, nicht vorbei.

Rem Koolhaas – Architekt XXL wurde am 27. Januar 2006 von Arte gezeigt. Im Laufe des Jahres erscheint eine DVD-Version auf dem Markt.



Verfasser: Daniel Krause, veröffentlicht am 28.02.2006

   
         Sämtliche Beiträge dürfen ohne Einwilligung der Autoren ausschließlich zu privaten Zwecken genutzt werden. Alle Rechte vorbehalten.
© Medienobservationen 2006.