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Stefan Neuhaus Wozu Kultur? Ein Plädoyer Abstract: Die Politik der Bayerischen Staatsregierung, die Universitäten immer stärker mit der Wirtschaft zu vernetzen, führt zu einer (ganz bewußten?) Vernachlässigung der Geisteswissenschaften. Unser Autor fragt sich in seiner Polemik, welches Verständnis von Kultur derzeit im deutschsprachigen Raum überhaupt herrscht. Sehen wir doch endlich der Realität ins Gesicht: Der wirtschaftliche Nutzen von Kultur steht in keinem Verhältnis zu den derzeitigen Kosten. Bayern, das fortschrittlichste der Bundesländer, hat deshalb schon zum Angriff auf die Geisteswissenschaften geblasen. Will man die Kosten für Kultur reduzieren, dann reicht es nicht, Subventionen zu streichen. Man muss das Übel an der Wurzel ausrupfen, in diesem Fall heißt das: die Ausgaben für geisteswissenschaftliche Studienfächer müssen stark zurückgefahren werden! Keines der geisteswissenschaftlichen Fächer kann
eine Existenzberechtigung vorweisen. In der Sprache der bayerischen
Offiziellen heißt das 'Anwendungsbezug'. Ein paar Beispiele. Nehmen
wir die Philosophie, ein besonders brotloses Studium, das nur eine Bedeutung
hat, wenn es um den Bezug zu den Naturwissenschaften, also um Fragen
der Ethik geht. 'Ethik' läßt sich aber auch in den naturwissenschaftlichen
Fächern lehren, wozu also ein eigenständiges Fach Philosophie? Wir kommen also zu den Germanisten. Für die Sprache
reichen Wörterbücher und Grammatiken, die schließlich
nicht von Universitäten, sondern von Verlagen produziert werden.
Literatur schreiben Autoren. Populäre Forschungsliteratur, etwa
Biographien von Autoren, werden in der Regel nicht von Hochschulgermanisten
produziert, sondern von professionellen Biographen. Die Absolventen der Germanistik sind auch kein Argument. Deutschlehrer kann man an Fachhochschulen in der Hälfte der bisherigen Zeit ausbilden. Wozu müssen die wissen, wer Andreas Gryphius war? (Und wenn sie es wissen wollen, können sie immer noch in einem Autorenlexikon nachschlagen.) Journalisten brauchen keine germanistische Grundausbildung, hervorragender Beleg sind die Journalistenschulen. Das reicht doch aus. Erst ein 'normales' Universitätsstudium von cirka sechs Jahren und dann noch zwei Jahre Journalistenschule ist wirtschaftlich nicht sinnvoll. Wer soll das bezahlen? Zugegeben, Kultur muss sein. Das sagen auch die Unternehmen, die sich gern dort ansiedeln, wo es ein Theater, ein Museum und sonstige Einrichtungen gibt, die der Erholung ihrer Angestellten dienen. Das bisschen Kultur, das als 'weicher Standortfaktor' betriebswirtschaftlich Sinn macht, lässt sich aber auch ohne den riesigen Leerlauf an den Universitäten bereitstellen. Besser sogar, denn ein Studium bringt Leute nur auf abstruse Ideen. Man sehe sich eine beliebige Theaterinszenierung an. Welcher einigermassen normale Mensch kann das noch nachvollziehen? Wir wollen unterhalten werden. Keifereien, Metzeleien und unmotivierten Geschlechtsverkehr gibt es im realen Leben genug! Statt dessen gilt es, den Produktionsstandort Deutschland
wieder auf Vordermann zu bringen. Wir brauchen Ingenieure, Facharbeiter
undsoweiter. Romane sind nutzlose Produkte, die man in ein Regal stellt
und nie wieder ansieht; ein Poster ist ebenso dekorativ und ersetzt
bestimmt Bücher im Wert von 1000 Mark. Ganz anders zum Beispiel
das deutsche Meisterprodukt Auto! Mit einem Auto kann man fahren, es
benutzen, und das ständig, so oft man will. Na gut, auch Autos
stehen herum. Aber das kann man doch nicht mit Büchern vergleichen! Ein angenehmer Nebeneffekt der anvisierten neuen Kulturpolitik: Die ständige Nörgelei von 'Links' wird eingedämmt. Es gibt zu viel Intellektuelle, die nur kritisieren, nur destruktiv sind, statt produktiv zu sein, Güter zu produzieren und zu konsumieren. Kein Wunder, dass Politik nicht mehr funktioniert. Ständig werfen Linke den Politikern Knüppel zwischen die Beine. Auch den Journalisten, dieser Meckerbande, könnte etwas weniger Bildung bei der Ausbildung nur guttun... Zuviel Nachdenken schadet ohnehin nur. In diesem Zusammenhang
ist interessant zu bemerken, wie viele Wahnsinnige es allein unter Schriftstellern
gegeben hat und wohl auch noch gibt, sieht man sich einmal die Bücher
der letzten Jahrzehnte an. Da kauft man ein Buch mit dem vielversprechenden
Titel Lust, und es werden Abscheulichkeiten geschildert, die man gar
nicht wiedergeben kann! Um nur ein Beispiel zu nennen. Wir könnten
den Grossteil der Psychologen einsparen, wenn sogenannte 'Kulturschaffende'
eine produktive Beschäftigung hätten. Über einen Arbeitsdienst,
der sogenannten Geistesarbeitern etwas Richtiges zu tun gibt, sollte
man einmal nachdenken. |
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