Medienwelt / Kommunikation / Rover-Debakel


Stefan Neuhaus

Schöne neue Medienwelt


Das Rover-Debakel von BMW ist ein Lehrstück fehlgeleiteter und manipulativer Kommunikation.

Das angebliche Rover-Debakel von BMW ist in der Tat ein Lehrstück, nur anders, als allgemein angenommen wird. Es handelt sich eigentlich um ein BMW-Debakel, Rover spielt nur die Rolle der Marionette, die man nicht gut genug steuern konnte, ständig verhedderten sich die Fäden. Schuld daran ist aber nicht die Marionette. Beinahe hätte BMW ohne Not eine Traditionsmarke beerdigt.

Wieso das - hat BMW denn nicht große Verluste mit Rover eingefahren? Nur, wenn man nach den Zahlen geht, die in der Öffentlichkeit präsentiert und immer wiederholt worden sind, nach dem guten alten Motto: Wenn man es den Leuten nur oft genug sagt, glauben sie es am Ende auch. Rover soll BMW unterm Strich 9 Milliarden Mark gekostet haben. Was verschwiegen wird, ist, dass dem handfeste finanzielle Vorteile gegenüberstehen. Zum Beispiel prognostizierte 6 Mrd. Mark aus dem Verkauf der lukrativen Land Rover Geländewagen-Sparte. Bleiben 3 Mrd. 'Verlust’. Wenn man dann noch die Entwicklungskosten des fast fertigen New Mini und des weit gediehenen 2er BMW (der mal ein kleiner Rover werden sollte) dazunimmt und bedenkt, dass die Entwicklung eines Volumenmodells 4 Mrd. Mark kostet, dann kommt man, o Wunder, plötzlich auf gar keinen Verlust. Eher im Gegenteil. Insofern war der überhastete Verkauf tatsächlich ein Befreiungsschlag.

Der BMW-Vorstand konnte natürlich nicht zugeben, dass man Rover über den Löffel balbieren wollte, und obwohl alle Fakten und Zahlen bekannt sind, hat kein Journalist groß darüber nachgedacht. Schöne neue Medienwelt, auf die ihre Vertreter selber hereinfallen.
Die andere Seite der Medaille ist, dass sich BMW von Anfang der Rover-Übernahme an als kommunikativer Dilettant erwiesen hat. Abgesehen von dem Grande Finale, das, wie wir gesehen haben, nur scheinbar danebenging, wurde so ziemlich alles falsch gemacht:

Werbung: BMW hat versucht, Rover neu zu positionieren. In Werbespots fuhren Manager mutterseelenallein im Rover 600 durch eine idyllische Waldlandschaft. Ähnlich pries man den Rover 400 an, und das Image des letzten Sprösslings, des 200ers, durfte eine Lifestyle-Frau aufpolieren, die eine Party in einem Herrenhaus besuchte und dort in einen Swimming-Pool sprang. Irgendjemand hätte BMW sagen sollen, dass das nicht der richtige Weg ist, große Stückzahlen zu verkaufen. Schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass der traditionelle Rover-Käufer ein bodenständiger Familienmensch eher mittleren oder gehobeneren Alters ist, kein Dressmann-Manager und kein Lifestyle-Weibchen. Auf der einen Seite wurden traditionelle Käuferschichten vergräzt, auf der anderen kaum neue Käufer hinzugewonnen.

Interne Kommunikation: Den BMW-Händlern wurde geraten, auch eine Roververtretung zu übernehmen. Die alten Verträge, teilweise mit traditionsreichen Händlern, wurden gekündigt, viele der jetzigen Rover-Vertretungen entstanden neu. Zahlreiche Händler und Mitarbeiter waren und sind durch den Rover-Ausverkauf existentiell gefährdet. Was tat BMW? Gar nichts. Die Händler erfuhren alle neuen Entwicklungen, für sie Schreckensnachrichten, zuerst durch die Medien. Ob und wie BMW die Verluste der Händler abfedern will, ist nach wie vor offen.

Pressearbeit: Der Presse sagte man nur das Nötigste, Spekulationen schossen wie Unkraut aus dem Boden. Zu allem Überfluss hieß es lange Zeit, man werde „am Engagement von BMW bei Rover festhalten“, bis schließlich die Wende um 180 Grad erfolgte. Das BMW-Oberhaupt für England musste dem Industrieminster seiner Majestät erklären, warum er ihn Tage zuvor belogen hatte, als er ihm versicherte, Rover bleibe bei BMW.
BMW wollte mit Biegen und Brechen Rover zu einer BMW-Marke machen. Das geht mit einem Massenhersteller, einem Hersteller für die Massen, aber nicht so einfach. Ein Image wächst langsam und kann nicht in wenigen Jahren vollständig umgekrempelt werden.

Aus dem Debakel lassen sich einige Lehren ziehen:
  1. BMW hätte das in die Werbung gesteckte Geld für eine sinnvolle Kampagne einsetzen sollen.
  2. Die Produktpolitik hätte anders aussehen müssen, zwei Beispiele:
    Keine PS-starken, mit Extras gespickten Rover zum Premium-Preis.
    Keine Positionierung des kleinen 200ers in der Golfklasse - er musste schon wegen seiner geringen Größe jeden Testvergleich verlieren. Statt dessen hätte man den 400er gegen den Golf antreten lassen sollen. Aber dieses wirklich gelungene Auto war für BMW das Aschenputtel, weil es noch von Honda entwickelt worden war.
Letztlich kann die BMW-Führung mit dem Ergebnis zufrieden sein, man ist mit einem blauen Auge davongekommen. Der angekündigte Rekordüberschuss nach dem angeblichen Rover-Debakel ist keine Hexerei (viel Geld trotz großer Verluste, wunderbar!), sondern Folge einer Milchmädchenrechnung, die man in den Medien aufmachte und die alle sensationslüstern nachbeteten (endlich durfte man mal die arroganten Münchener schlechtmachen!). BMW-Chef Milberg dürfte sich ins Fäustchen lachen, und auch die Quandt-Familie hat in der Tat keinen Grund, sich von ihren knapp 50prozentigen BMW-Anteilen zu trennen.

Wenn man die Berichterstattung der Medien betrachtet, dann ist das Ergebnis allerdings genauso unbefriedigend. Die Autopresse maß Rover idiotischerweise immer an BMW. In Testberichten des 400ers beispielsweise hieß es immer, und das war negativ gemeint: das Auto sei ja noch von Honda entwickelt worden. Dabei ist der 400er weitgehend baugleich mit dem aktuellen Honda Civic, der sich großer Beliebtheit erfreut. Honda ist eine der profitabelsten Automarken auf dem Globus mit dem Ruf von Sportlichkeit und Zuverlässigkeit. Man muss dazu sagen, dass bei den Autotests der großen Zeitschriften fast immer die deutschen Autos gewinnen, trotz hoher Preise, magerer Ausstattung und der im Vergleich mit den Japanern geringen Zuverlässigkeit. Hier wären wir bei einem anderen Thema, der Stiftung einer nationalen Identität über Produkte Made in Germany.

Besonders beklagenswert ist für mich das unkritische Nachbeten der wenigen Aussagen des BMW-Vorstands zum Rover-Verkauf selbst in den größten und angesehensten Tages- und Wochenzeitungen. Dass hier mit Ellenbogen gearbeitet wurde und dass man solche Machenschaften nur für gut befinden kann, wenn einem der freie Markt über alles geht, ist – fast – niemandem aufgefallen.

Einzig John Towers, der noch während der Honda-Beteiligung Rover leitete und dies jetzt wieder tut, hat die Zusammenhänge richtig erkannt und, man kann ihm dafür nicht genug danken, in selbstloser Weise gehandelt. Ein Brite, also ein Angehöriger des Volkes, dem die freie Marktwirtschaft angeblich über alles geht, hat den Deutschen, die auf ihre soziale Marktwirtschaft so stolz sind, vorgemacht, wie man Verantwortung lebt. Towers hat, entgegen aller Unkenrufe, noch eine Chance, auch wenn ihm BMW die lukrative Land-Rover-Sparte einfach wegnimmt. Rover baut schön aussehende, sparsame, zuverlässige und preiswerte Automobile. Die einzige Frage ist, ob Towers zu einem Zeitpunkt übernommen hat, als noch nicht alles zu spät war. Die BMW-Mismanager haben sicher so lange gewartet, bis sie das Auto gegen die Wand gefahren hatten, bevor sie den Schlüssel weitergaben.

In der Wirtschaftswunderwelt des neuen Jahrtausends müssen wir uns, auch das lehrt das angebliche Rover-Debakel, auf eine quantitative Verbreiterung, aber qualitative Verflachung jeglichen Angebots einrichten. Die Autos von VW, Audi, Skoda und Seat sind weitgehend die gleichen; wo Privileg draufsteht, ist Siemens-Technik drin; eine Schlagzeile wird in vielfacher Variation von allen Medien wiederholt, als sei man nicht mehr als ein Echo.

Auch ganz persönlich lassen sich Schlüsse ziehen. Wir fahren zwei Rover und werden sie nicht verkaufen, es sind die besten Autos, die wir je hatten. Image hin oder her. Zum Glück muss man (noch) nicht das tun, was einem die Medien suggerieren.



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