Internet - Öffentlichkeit - Kommunikation


Julian Kücklich

Öffentlichkeit im Internet



Abstract: Welche Formen von Öffentlichkeit gibt es im Internet und wie lassen sie sich beschreiben? Und welche Auswirkungen haben diese virtuellen Teilöffentlichkeiten auf die gesellschaftliche Kommunikation? Diese Fragen werden von der Medientheorie teils euphorisch, teils apokalyptisch beantwortet: Während die einen das goldene Zeitalter der Cyber-Demokratie heraufdämmern sehen, warnen die anderen vor der totalen digitalen Überwachung oder einer Oligarchie der 'Virtuellen Klasse'. Tatsächlich stellt sich das Problem des Verhältnisses zwischen Öffentlichkeit und Internet als Überschneidung verschiedener öffentlicher Räume dar, zwischen denen komplexe Rückkopplungsprozesse ablaufen. Eine differenzierte Betrachtung dieses Themenkomplexes muß daher versuchen, die Schnittflächen dieser Räume zu definieren und zwischen den extremen Standpunkten der Beobachter zu vermitteln.


Der Begriff 'Öffentlichkeit' wird von uns immer noch selbstverständlich im Singular verwendet, obwohl die Integrität dieses Begriffs schon seit einiger Zeit nicht mehr gegeben ist. Die Aufspaltung in mehrere Öffentlichkeiten (1) ist sicher kein Ergebnis der Etablierung des Internet als Massenmedium, aber durch die zunehmende Vernetzung öffentlicher Bereiche werden Risse und Verwerfungen in der öffentlichen Landschaft sichtbar, die sich im Medium des virtuellen Raumes besonders gut aufzeigen lassen. Damit soll keineswegs unterstellt werden, daß der Cyberspace und die öffentlichen Sphären voneinander unabhängige Räume seien, zwischen denen lediglich ein Abbildungsverhältnis besteht. Vielmehr stellt sich das Problem des Verhältnisses zwischen Öffentlichkeit und Internet als Überschneidung, Überlagerung und Verschmelzung mehrerer Ebenen dar, zwischen denen komplexe Rückkopplungsprozesse ablaufen. Ziel des vorliegenden Essays ist es, die Schnittflächen dieser Ebenen zu definieren, und auf der Basis dieser Gemeinsamkeiten die Unterschiede im Bedeutungsspektrum von 'Öffentlichkeit' im realen und 'Öffentlichkeit' im virtuellen Raum herauszuarbeiten.

Die vielleicht augenfälligste Entwicklung, die durch das Internet katalysiert wurde, ist die Vermischung der traditionell streng voneinander geschiedenen Sphären des Privaten und des Öffentlichen. Flankiert von den täglichen Fernseh-Talkshows, denen nichts Menschliches fremd ist, vollzieht sich im Internet weniger die Verwirklichung der Sixties-Parole 'The private is the political.' als vielmehr eine kollektive exhibitionistische Zurschaustellung der private parts der virtuellen Gemeinschaft. Davon profitieren nicht nur die Voyeure, sondern auch und vor allem die Wirtschaft, die in den net communities die idealen - weil in sich homogenen - Zielgruppen ausgemacht zu haben glaubt, auf die die Werbung nach Maß zugeschnitten werden kann. Der Trend in der Politik, statt Parteiprogrammen Persönlichkeiten in den Vordergrund zu stellen, setzt sich im Internet mit anderen Mitteln fort: Ein öffentlicher Mensch (homo politicus) ohne eigene Homepage ist schlecht gerüstet gegen einen Kontrahenten, dessen Web-Adresse bereits den eigenen Namen ersetzt hat.

Dies alles sind Symptome, die auf einen Wandel der Vorstellungen von Privatheit - und damit auch von Öffentlichkeit - hinweisen. In ihrer Gesamtheit erscheinen sie jedoch eher geeignet, die Ursachen für diesen Wandel zu verschleiern, als sie zu enthüllen. Denn obwohl Privatpersonen immer mehr von sich preisgeben, lassen sie die Beweggründe dafür weitgehend im Verborgenen. Und diejenigen, die in den chat rooms Fremden ihre intimsten Geheimnisse verraten, ziehen es vor, eine andere Identität anzunehmen. Dies weist wiederum auf ein grundlegendes Problem von Öffentlichkeit im Internet hin: Die Meinungen und Interessen, aus denen sich Öffentlichkeit konstituiert, lassen sich nicht immer einem Sprecher zuordnen, und weder die Authentizität dieses Sprechers noch die Ernsthaftigkeit der Äußerung ist ohne weiteres gewährleistet: "[W]ie ist vermittelnde Kommunikation möglich, wenn an der Benutzeroberfläche der Unterschied zwischen Illusion, Fiktion, Produktion nicht direkt erkennbar ist?" Damit verbindet sich eine weitere Frage: "wie kann Öffentlichkeit entstehen, wenn die Ununterscheidbarkeit von Meinung, Interesse, Fiktion, Entwurf usw. in die elektromagnetische Gleichzeitigkeit von Ereignis und Ergebnis eingebunden sind?" (2)

Das herkömmliche Modell von Öffentlichkeit als 'nachgängiges Verfahren' wird den elektronisch beschleunigten Öffentlichkeiten des digitalen Zeitalters also nicht mehr gerecht. Notwendigerweise wirkt sich diese Beschleunigung auch auf unser Privatleben aus. In der Terminologie Paul Virilios führt diese Beschleunigung zu einer Krise des (öffentlichen) Raumes: "Die verbindende Nähe der Raumordnung der Erdoberfläche wird abgelöst durch die auflösende Vergänglichkeit einer globalen Zeitordnung, was zu einem Zerfall der jahrhundertealten gesellschaftspolitischen Strukturen führt."(3) Die Dromologie Virilios ist eine Metapher, die dazu geeignet ist, auf einen der Risse aufmerksam zu machen, die den öffentlichen Raum strukturieren: "In der Tat bedingt schon die globale Metropolitik der zukünftigen Informations-Datenautobahnen von sich aus den Beginn einer Gesellschaft, die nicht mehr ausschließlich zwischen Nord und Süd geschieden ist, sondern darüber hinaus zwischen zwei Zeitlichkeiten, zwei Geschwindigkeiten: Einer absoluten und einer relativen Geschwindigkeit."

Die absolute Geschwindigkeit bezeichnet dabei die Echtzeit, den Zustand einer "andauernden und ausgedehnten Gegenwart", der das Ende des entropischen Prozesses der Eliminierung des Intervalls zwischen Ereignis und Ergebnis kennzeichnet. Dies mag weit hergeholt klingen, doch folgt man dieser Überlegung, wird auch deutlich, was die Menschen zur Verlagerung ihrer Privatsphäre in den öffentlichen Raum des Cyberspace treibt: Wenn man voraussetzt, daß die Beschleunigung der Kommunikation auf Kosten des öffentlichen Raumes geht, wird es unmöglich, den virtuellen Raum als "sozialen Zusatzraum" zu betrachten, wie Faßler es tut. Vielmehr erscheint er als eine Begrenzung des Aktionsradius des Individuums, die es durch das Ausweichen in den virtuellen Raum zu kompensieren sucht.

Einen anderen Weg geht Derrick de Kerckhove in seinem Aufsatz "Jenseits des globalen Dorfes - Infragestellen der Öffentlichkeit" (4):
Auch er geht davon aus, daß Vernetzung zu einer Verwischung der Abgrenzungen zwischen öffentlichem und privatem Raum führt, aber die Schlüsse die er daraus zieht, sind weniger pessimistisch als die Virilios. Auf der Basis der These, "daß die äußerlichen Veränderungen komplementäre Ergänzungen einer sich verändernden inneren Verfassung des Subjekts sind", entwickelt er ein Konzept einer Identität, die den Herausforderungen einer vernetzten Welt gewachsen ist. Die damit einhergehende Verunsicherung kann laut de Kerckhove nur dadurch überkommen werden, das das Selbstbild des Menschen einer radikalen Erweiterung unterworfen wird. Zwar erkennt er die damit einhergehenden Gefahren der Enteignung bzw. der Kolonisation des menschlichen Körpers, vor denen auch Virilio warnt, glaubt aber dieses Problem durch die Ersetzung des Standpunktes, anhand dessen das Individuum sich definiert, durch den "Seins-Punkt" umgehen zu können, der nicht relativ sondern absolut ist. Dieser Seins-Punkt ist durch die (erweiterten) Grenzen des eigenen Körpers definiert und "schließt nicht aus sondern ein, er rahmt keinen Wirklichkeitsausschnitt in eine Perspektive ein, aber er bestimmt sich durch die Präzision und Vielfalt der Verbindungen mit der Welt." Auf die Kategorien der Privatheit und Öffentlichkeit angewandt, heißt das, daß eine rhizomatische Öffentlichkeit entsteht, die zwischen den Privatsphären der Individuen vermittelt, und dadurch eine Art osmotisches Gleichgewicht zwischen privater und öffentlicher Sphäre bildet.

Dadurch sind gleichzeitig die Voraussetzungen für eine radikale Veränderung der politischen Landschaft geschaffen. De Kerckhove prognostiziert aufgrund der Gleichberechtigung des Öffentlichen und des Privaten im Netz einen Wandel der Maxime der Vernunft zur Maxime des Bewußtseins, welches in einer Welt, in der der Mensch immer mehr Entscheidungen an seine (intelligente) Umwelt delegiert (5), sowohl die private als auch die öffentliche Sphäre durchdringt. Es ist allerdings "noch unklar, welche Herrschaftsform dieser neuen Ordnung kollektiver Intelligenz und gesellschaftlichen Verhaltens wohl entsprechen mag." Für ihn steht jedoch außer Frage, daß jegliche Ordnung, die im Netz herrscht, auch in der wirklichen Welt regieren wird. Deshalb plädiert er dafür, darüber nachzudenken, "was jetzt in unserer Macht steht, einen globalen Zugriff zu verhindern."

Mittlerweile hat die Wirklichkeit die utopische Vision de Kerckhoves eingeholt: Durch die Errichtung von Portalen versuchen die großen Internet-Provider nicht nur den Zugang zu kontrollieren, auch die Vielfalt des Mediums wird so entscheidend eingeschränkt. Denn finanzstarke Anbieter werden auf diesen Portalseiten natürlich entsprechend besser positioniert als unabhängige Anbieter, die keine Geldgeber im Rücken haben. Nach dem Prinzip einer self-fulfilling prophecy werden die Seiten, die sich bei den Portalen eingekauft haben, bald auch zu den Seiten, die die höchsten Besucherzahlen verbuchen können. So verdüstert sich die leuchtende Zukunft von der vernetzten Öffentlichkeit, das uns de Kerckhove ausgemalt hat. Denn mit dem Konzentrationsprozeß geht auch eine Verzerrung des öffentlichen Raumes einher. Und die Unkontrollierbarkeit des Netzes, die die Internet-Pioniere an der electronic frontier propagierten, wendet sich so mit einem Mal gegen das Internet selbst.

Im Jahr 1996 erklärte John Perry Barlow das Internet in seiner Declaration of the Independence of Cyberspace (6) zu einem Raum außerhalb der Souveränität der Regierungen der industriellen Welt, und wie de Kerckhove proklamiert er "Civilization of the Mind in Cyberspace". Die vorgebliche Radikalität dieser Unabhängigkeitserklärung läßt sich jedoch bei näherer Betrachtung problemlos mit Newt Gingrichs Virtual America, der Magna Charta for the Knowledge Age und dem Cyber-Kapitalismus der kalifornischen Ideologie (7) vereinbaren. Dementsprechend kommen Geert Lovink und Pit Schulz in ihrer Replik auf Barlows Unabhängigkeitserklärung zu dem Schluß, sie sei eine "Technoideologie für die Massen, in der es um unumstößliche Überlegenheiten, das Ansprechen niederer Instinkte und vor allem um ein neues diffuses Gemeinschaftsgefühl geht, das sich dreist der verschiedensten Mythen bedient, um sich einen Nimbus unhinterfragbarer Erhabenheit und Metaphysik zu geben." (8)

Damit jedoch überlassen die Wächter der elektronischen Grenze die Entscheidung, was an die Öffentlichkeit gelangt, den Konzernen, und dementsprechend werden Meinungen ausgeblendet, die nicht in das Bild vom Cyberspace als einem Ort passen, an dem "jeder gut drauf und reich sein" (9) wird. Verbunden mit der Forderung nach einem Minimum an staatlicher Kontrolle und dem Abbau von Sozialleistungen wird in der kalifornischen Ideologie so implizit eine neue Elite definiert: die virtuelle Klasse. Deren Mitglieder rekrutieren sich aus genau der Gruppe, die bereits jetzt den Großteil der Netizens stellt, der Gruppe der "jüngeren, gutgebildeten weißen Männer mit englischer Muttersprache" (10). Und solange die Mitglieder der virtuelle Klasse unter sich sind, erledigen sich Probleme wie Rassismus, Sexismus und Sozialneid wie von selbst.

Damit kommen wir zu Ulrich Rödels Konzept der Öffentlichkeit als Kampf von Minderheiten, an Öffentlichkeit teilzuhaben, die zu einer Formung und Fortentwicklung des öffentlichen Raumes führt. Diese von der Konzeption einer Zivilgesellschaft geleitete Kritik wendet sich gegen die Betrachtungsweise des geschichtlichen Prozesses der Autonomie als Verfallsgeschichte. Dies ist ein Gedanke, der gerade im Zusammenhang der 'Mediatisierung' von Öffentlichkeit immer häufiger auftaucht:

Mögen unsere Ahnen einmal liberal räsonierende Bürger gewesen sein - wir sind schon seit Jahrzehnten Fernsehzuschauer, Subjekte allenfalls als Untertanen des Medienverbunds. Die virtuelle Realität der elektronischen Gemeinschaft tritt nicht einfach in Konkurrenz zur bürgerlichen Öffentlichkeit, sondern schließt sie aus... (11)
Legt man jedoch das Konzept einer "Oszillierenden Öffentlichkeit" (12) zugrunde, ist es schwer einzusehen, "warum die Entstehung der neuen elektronischen Kommunikationsmedien direkt die Entstehung zivilgesellschaftlicher Handlungszusammenhänge in einem öffentlichen Raum verhindern oder überhaupt unmöglich machen soll." (13) Wenn man dieses Konzept andererseits mit dem überhandnehmenden Cyber-Kapitalismus kalifornischer Prägung in Beziehung setzt, erscheinen die Bedingungen für die dialektische Fortentwicklung des öffentlichen Raumes zumindest fragwürdig. Denn mit der Kommerzialisierung des Netzes geht auch eine Marginalisierung nicht-kommerzieller Internet-Angebote einher. Und je weniger konsensfähig ein solches Angebot ist, desto schwerer werden dessen Betreiber sich damit tun, einen kommerziellen Partner zu finden, der für den Fortbestand unangepaßter Angebote notwendig ist. Die Mediatisierung der Öffentlichkeit muß jedoch nicht zwangsläufig zum Realitätsverlust seitens des Bürgers führen. Noch ist diese Mediatisierung nicht weit genug gediehen, um über die soziale Realität hinwegzutäuschen. Solange der virtuelle Raum also nicht die Oberhand über den reellen Raum gewinnt, setzt sich die Entwicklung der Öffentlichkeit fort.

Während Rödel daran festhält, daß das Modell der Dialektik, die bisher für den Fortbestand des öffentlichen Raumes gesorgt hat, auch unter den Bedingungen des virtuellen Raumes ihre Gültigkeit behalten wird, glaubt Rudolf Maresch, nun endgültig mit dem "Phantasma" Öffentlichkeit aufräumen zu können. Laut Maresch wird Macht im Internet nicht verflüssigt, sie wird nur neu verteilt. "Neue Hierarchien und Zentralitäten entstehen, neue Knoten und Hegemonien schreiben sich in den virtuellen Raum ein: Die geschlossenen Kreisläufe von Banken, Börsen und staatlichen Behörden." (14) Damit demontiert Maresch aber en passant auch die Metapher des Rhizoms (15), die aufgrund der rhizomatischen Eigenschaften Offenheit, Dezentralisierung, Heterogenität, Subversivität und Zentrifugalität immer wieder für die vernetzte Öffentlichkeit herhalten muß.

Ist Öffentlichkeit also nur ein Mythos, der sich nun in einem weiteren Medium manifestiert, so wie er auch vom Rundfunk und der Presse Besitz ergriffen hat? Eine Antwort auf diese Frage kann möglicherweise die Systemtheorie geben. In Die Realität der Massenmedien (16) weist Niklas Luhmann auf Dirk Baeckers Definition von Öffentlichkeit als "Reflexion jeder gesellschaftlichen Systemgrenze" hin, und folgert daraus: "Die Funktion der Massenmedien wäre demnach nicht in der Produktion, sondern in der Repräsentation von Öffentlichkeit zu sehen." Gerade diese Unterscheidung ist aber in dem Moment, in dem ein Massenmedium wie das Internet selbst öffentliche Räume schafft, nicht mehr aufrecht zu erhalten. In seinem Artikel "Oszillierende Öffentlichkeiten" (17) plädiert Baecker daher dafür, Technisierung als Begriff dafür zu betrachten, daß "die Reibungslosigkeit der Wahrnehmung und Kommunikation in einem bestimmten Medium vergessen macht, welche Ausschließungseffekte (der Möglichkeit der Wahrnehmung anderer Kommunikationen) mit jenen ersten Einschränkungen einhergehen." (18) Unter diesen Einschränkungen sind dabei die spezifischen Eigenschaften eines Mediums zu verstehen, die bestimmen, was sich in dieses Medium einprägen kann. Wenn die Technisierung eines Mediums also total ist, wird es unmöglich, etwas anderes wahrzunehmen als die dem Medium eigenen Formen, und diese Formen bestimmen den Inhalt der über dieses Medium vermittelten Kommunikation. Sobald diese Inhalte jedoch nicht mehr intersubjektiv verifizierbar sind, verliert der Begriff Öffentlichkeit seine Funktion. Aber noch ist die Immersivität der neuen Medien nicht total. Daher erklärt Baecker: "'Technisierung' der Öffentlichkeit heißt dann nicht: Einzug der technischen Apparate in die Massenmedien. Sondern 'Technisierung' heißt: Erleichterung sowohl der Meinungsbildung als auch des Meinungswechsels und der Meinungsdiskreditierung. [...] Die Technisierung läuft über die Diskreditierung. Davon lebt die Öffentlichkeit. Und davon hat sie sich nie erholt."

Die beiden Einwände, die gegen diese Betrachtungsweise sprechen, wurden bereits vorgebracht: Erstens bedeutet Erleichterung in diesem Zusammenhang Reibungslosigkeit und damit Beschleunigung. Und sobald der circulus vitiosus der Meinungsbildung und -diskreditierung sich so schnell dreht, daß er für den Einzelnen nicht mehr nachvollziehbar ist, dreht dieser Diskurs durch und wird obsolet. Zweitens ist es aufgrund der Tatsache, daß die Meinungen, die zu dieser Öffentlichkeit beitragen nicht ohne weiteres einem Sprecher zugeordnet werden können, möglich, dem Einzelnen Öffentlichkeit vorzugaukeln und die Illusion aufrechtzuerhalten, daß er an Öffentlichkeit partizipiert, obwohl es sich dabei letztendlich nur um die Extension seiner privaten Sphäre handelt. Diese Konzeption bedarf nicht einmal einer Institution, die ein Interesse daran hat, dem Individuum die Teilnahme an Öffentlichkeit zu verwehren, denn die Privatisierung der Öffentlichkeit, wie sie beispielsweise in Form von 'personalisierten' Nachrichten bereits angeboten wird, kommt dem Bedürfnis des Menschen entgegen, seine Meinungen in der Praxis bestätigt zu sehen. Ist Öffentlichkeit im Internet also ein Phantasma? Ja und Nein. Denn einerseits ist der Begriff Öffentlichkeit so vielgestaltig und ambivalent, daß er sich jeder Definition entzieht, je näher man ihn betrachtet. Andererseits gibt es immer noch Bereiche im Cyberspace, die noch so offen und formbar sind, daß sie die Einschreibung jeder beliebigen Form von Öffentlichkeit ermöglichen. Es wird also darauf ankommen, welche Form wir der Öffentlichkeit im Internet geben.



Ausführlichere Angaben zum Thema über Post bei der Readktion und e-mail beim Verfasser: Julian Kücklich

   


    

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